Frau Wurster lässt Senf ab: Schlafen kann ich, wenn ich tot bin

Sandra Wurster | 24 November, 2020


          
            Frau Wurster lässt Senf ab: Schlafen kann ich, wenn ich tot bin

Es gibt Gurus und andere spirituelle Wesen, die der Überzeugung sind, dass wir insgesamt viel weniger Schlaf benötigten, wenn wir schonender mit unserem begrenzten Energie-Haushalt umgingen und nicht ständig im High-Speed-Modus überhitzten. Darin liegt tatsächlich mehr Wahrheit als wir uns selbst eingestehen möchten, denn die meisten von uns kennen nicht einmal all ihre Energieräuber*, geschweige denn sind sich bereits bewusst, dass uns das ständige Vergleichen, Bewerten und auch vergangene Geschehnisse, die wir nicht vergeben und loslassen können, nicht nur wahnsinnig viel Kraft rauben und schwächen, sondern tatsächlich vergiften und krankmachen. Um in einem viel gelasseneren „Standby-Modus“ unseren Alltag zu meistern, stellt sich natürlich auch die Frage des Grundes unserer Erschöpfung und Müdigkeit.

„Nein, wir brauchen nicht mehr Schlaf. Es sind unsere Seelen, die müde sind, nicht unsere Körper. Wir brauchen die Natur. Wir brauchen Magie, Abenteuer, Freiheit, Wahrheit, Stille. Wir brauchen nicht mehr Schlaf – wir müssen aufwachen und leben.“

Brooke Hampton

Doch was ist mit all den Menschen, die ihr „Warum“ und ihren „Zauber“ im Leben bereits gefunden haben – den Macher-Typen, Selbstständigen und Unternehmer*innen, die ständig „getrieben” sind und Schwierigkeiten haben, Pausen einzuhalten und einen gesunden Arbeits-Rhythmus zu finden (dazu zähle ich mich übrigens auch)? Mantren wie „Ich mache meine Arbeit, ich bin nicht meine Arbeit“ oder „Alles erledigt, nichts erlebt – vor allem mich selbst mal wieder nicht“ verlieren leider recht schnell ihre Wirkung, weil ich mich zu einem großen Teil durch meine Arbeit verwirkliche und dabei oftmals Raum und Zeit vergesse. Jep, ich gestehe es mir selbst bereits ein: Ich definiere mich nicht nur eindeutig zu sehr über meine Arbeit, sondern werte mich selbst durch die resultierenden Erfolge und Niederlagen entweder auf oder ab. Gefährliche Kiste – besonders für alle, die in ihrer Kindheit Aufmerksamkeit und Liebe in Form von Lob erhielten, was meistens das Erbringen einer bestimmten guten Leistung voraussetzte. Um aus diesem unbewussten Muster, das viele zu wahren Workaholics macht und sie in mehrere Zusammenbrüche treibt, aussteigen zu können, ist es wichtig, sich seines „inneren Kindes“ bewusst zu werden und sich selbst all das zu geben, wonach man sich so lange gesehnt hat. Sonst besteht die Gefahr, dass man dies sein ganzes Leben – durch das Gefühl des ungesättigten Bedürfnisses nach Aufmerksamkeit und Liebe – vergebens in allen Beziehungen sucht und fordert. Daraus entstehen wiederum toxischen Freundschaften, bedürftige Partnerschaften und eben auch das Verpflichtungsgefühl im Arbeitsbereich.

Und obwohl ich bereits dran bin, fallen mir Pausen trotzdem immer noch unheimlich schwer und ich kann mich auch nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal auf die Frage „Wie geht es dir?“ mit etwas anderem antwortete als „Gut, aber viel Stress, wie immer halt.” Gestresst zu sein ist zu meinem absoluten Status-Symbol geworden, zumal man sich die Gründerin eines jungen Unternehmens doch auch gar nicht mit Langeweile vorstellen kann. Es ist fast so als würde meine Position das Gestresstsein voraussetzen. Doch meine nicht vorhandene Work-Life-Balance stimmt mich so unzufrieden, dass mich dies wiederum dazu bringt, endlich mich (in „Bestform“) vor alles andere zu stellen, Prioritäten konsequenter festzulegen und den Unterscheid zwischen “beschäftigt sein” und “wahrhaftig produktiv sein” nicht nur zu kennen, sondern auch zu leben.

Doch da ist noch etwas, so etwas wie eine verborgene Angst vor Pausen. Endlich kommen wir der Sache näher! Es ist vergleichbar mit meiner früheren Angst vor dem Briefkasten, dem ich solange aus dem Weg gegangen bin, bis der Postbote mir eine Benachrichtigung hinterließ mit „Bitte leeren“ und ich gezwungen war, mich mit all den Rechnungen auseinanderzusetzen. Damals verstand ich noch nicht, dass das reguläre Überprüfen meines Briefkastens und somit meiner Rechnungen mich vor dem großen Schock, den ich sonst immer hatte, bewahrt hätte und mir zusätzlich viel mehr Überblick über meine finanzielle Lage geschenkt hätte. Du fragst dich, wo jetzt die Schnittstelle zu Pausen ist? Na ja, wenn man sich einmal die Zeit nimmt, sich hinzusetzen und auszuruhen, bemerkt man vielleicht, wie lange man es nicht mehr getan hat und wie bitterlich nötig es ist. Denn unser Körper lügt nie und wer sich nicht genügend Zeit für seine Gesundheit und sein inneres Gleichgewicht nimmt, der wird sich hinterher viel Zeit für seine Krankheiten nehmen müssen. Eine Tatsache, die reflektierte und kluge Menschen wissen und trotzdem ins Extrem abrutschen. Genau hier liegt der Hund, also jedenfalls meiner, begraben. Es ist nicht immer die Angst zu scheitern, die uns zu Selbstsabotage treibt, sondern oft die Furcht vor Großem und dem eigenen Leuchten. Jedes Pendel, das in ein bestimmtes Extrem ausschlägt, schlägt danach auch wiederum in ein anderes aus, um sich wieder einzupendeln. Nach einer langen Zeit des Verzichts und Diäten wist du höchstwahrscheinlich Fress-Attacken haben und dich überessen, nach intensiven Arbeitsprozessen mit vielen Überstunden wirst du höchstwahrscheinlich erstmal krank werden oder dir freinehmen, um deine aufgebrauchten Ressourcen wieder aufzufüllen, nur um diese anschließend auf der Arbeit wieder völlig auszuschöpfen. Hamsterrad, olé!

Verstehst du, was ich dir sagen möchte? Wenn du aktuell an einem ähnlichen Punkt in deinem Leben mit ähnlichen Erkenntnissen stehst, dann befindest du dich vor deiner nächsten Bewusstseinsebene. Denn Pausen, Ruhephasen und Auszeiten sind nicht egoistisch oder etwas für „Schwache“. Nein, sie sind die wichtigsten Werkzeuge, um nachhaltig erfolgreich zu sein.Denn frage dich selbst: Wie viel Zeit und Kraft kostet es dich jedes Mal nach einer „Erschöpfungsphase“, der eine extreme „Getrieben-Phase“ vorausging, dich wieder aufzurappeln, alles wieder nachzuarbeiten, was liegen geblieben ist, und deinen Kurs wieder aufzunehmen? Wie wäre es, wenn dieser Prozess, der dich jedes Mal zurückwirft, komplett wegfiele und du langfristig viel nachhaltiger auf deine Ergebnisse und Erfolge aufbauen könntest? Könnte es sein, dass dich deine unbewusste Angst daran gehindert hat, dir selbst zuzugestehen und zu erlauben, erfolgreich zu sein? Viele Fragen, die du unteranderem mit dem Erstellen eines neuen Visionboards angehen könntest. Damit kannst du zugleich deine größtmöglichen Visionen erforschen. So nimmst du dir die Angst vor Großem und Unbekannten. An dieser Stelle könnte ich mir wiederum sehr gut ein Mantra vorstellen: „Ich habe das Zeug, um erfolgreich zu sein, und das erlaube ich mir auch.”

Vergiss nicht: Profisportler*innen werden dank des sinnvoll zusammengestellten Trainingsplans, der wichtige Regenerationsphasen miteinschließt, zum Champion.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass es wichtig ist, dem Ursprung deiner Erschöpfung auf den Grund zu gehen, deinen High-Speed-Modus herunterzufahren und schonender mit deiner Energie zu haushalten. Dir deinem „inneren Kind“ bewusst zu werden und selbst deine ungesättigten Bedürfnisse zu stillen. Denk immer an das Pendel, habe keine Angst vor Großem und erlaube dir, erfolgreich zu sein. Und bei all dem vergiss nicht: „Es heißt glücklich sein, nicht glücklich tun oder haben.” Ach, schon wieder so ein Mantra…

Bauchliebe & Licht an dich, deine Sandra

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*Energie-Räuber = Das können bestimmte Situationen, Menschen in deinem Umfeld oder eigene, immer wiederkehrende Muster und negative Glaubenssätze sein. Nimm dir heute doch mal die Zeit und erstelle dir eine Liste, in der du alles notierst, was dir kaum Freude bereitet und wahnsinnig anstrengend für dich ist. Das niederzuschreiben und anschließend gesammelt wahrzunehmen löst bei den meisten bereits eine große Erkenntnis aus. Und nachdem du dir dessen bewusst geworden bist, kannst du beginnen, Step für Step ganz nach deinem eigenen Tempo diese Liste zu minimieren.

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