Leseprobe

Das Leben ist zu kurz um den Bauch einzuziehen

Hauptautorin: Sandra Wurster

Zeig Farbe und komme in deine „Leuchtkraft“

Ich sehe das so: Jede/r von uns stellt eine wunderschöne einzigartige Farbe dar, die diese Welt bereichert und ein Stück bunter machen kann. In diesem Farbton spiegeln sich auch alle unsere Sehnsüchte und alle unsere Ängste wider, in der eigenen Farbe wie in der anderer. Die intensiven Gefühle, die damit verbunden sind, können für einen selbst, aber auch für die Umwelt ziemlich beängstigend sein. So kommt es vor, dass andere in uns dringen, dass wir anders sein sollen, als wie wir sind. Vielleicht, weil sie den Farbton aus irgendeinem Grund, der nur mit ihnen selbst zu tun hat, nicht mögen oder weil ihnen
prinzipiell etwas Angst macht, was ihnen fremd ist, oder weil sie sich nur selbst mit ihrer Farbe wohlfühlen können, wenn sie ihre Farbe als die einzig richtige proklamieren.

Problem: Wenn andere uns ihre Vorstellung von „guter“ (Einheits-)Farbe aufoktroyieren wollen und uns das nötige Selbstbewusstsein fehlt, legen wir selbstschädigende Verhaltensweisen an den Tag: Wir verstecken oder kaschieren unseren Farbton und verstauen unsere Leuchtkraft in Boxen. Schön weit weg, außer Sicht- und Reichweite von uns selbst. Doch es ist langfristig unheimlich anstrengend, sich selbst zu verleugnen und alles, was einen zum Leuchten bringen könnte, in eine kleine Box zu quetschen. Zusätzlich kostet es eine Unmenge an Energie, unser eigentliches Strahlen ständig zu dimmen, nur um so sein zu können, wie uns andere anscheinend haben wollen. Wir verlieren dabei nicht nur unsere Natürlichkeit, unser Bauchgefühl, selbst gut für uns zu sorgen, sondern bekommen obendrein noch„Bauschmerzen“, im eigentlichen wie im übertragenen Sinne. Das, was wir an Selbstwert, fein säuberlich in kleine Kartons gepackt haben, und bei uns im Bauch auf die eine oder andere Weise einen Mangel generiert, müssen wir irgendwie kompensieren. So geben wir dafür jede Menge Geld aus und lenken uns mit Ersatzbefriedigungen ab: Essen, schöne Kleidung, Sex, Drogen, Urlaube usw. (Die Wirtschaft freut sich.) Dennoch scheint uns etwas Wichtiges zu fehlen, weil alles nicht gut genug ist und auszureichen scheint. Mach ich dafür nicht runter, es liegt nicht an dir, an einer minderen Qualität der Ersatzbefriedigungen oder an deiner angeblich fehlenden Disziplin. Es ist etwas Wesentliches, was du tief in deinem Inneren vermisst. Egal, wie sehr du dich auch bemühst, du kannst es nicht mit etwas anderem ausgleichen. Wenn du endlich deine Boxen herauskramst und herausholst, was du vor allen, aber insbesondere vor dir versteckt hast, hast du wieder Zugriff darauf. Es ist deine einzigartige Farbe, die zum Leuchten gebracht werden will, mit der du in der Welt kreativ sein kannst. Was dir fehlt, ist nur verborgen und nicht weg. Niemand hat die Macht, dir das zu nehmen, nur du selbst.

Der einzige große Radiergummi in deinem Leben bist
– wenn überhaupt – du selbst. Nicht die Welt begrenzt
dich, sondern deine Gedanken. In Wirklichkeit haben
wir keine Angst vor dem Scheitern, sondern vor der
Intensität unserer eigenen Farbe und Leuchtkraft.

Selbstverständlich hat man mehr Sorge vor dem Übermalen einiger Grenzen, als davor, ständig nur die Schattierung zu bleiben. Ich glaube daran, dass wenn sich alle wieder mehr mit ihrer eigenen Farbe und Leuchtkraft beschäftigen würden, viel weniger Frust, Angst und Hass auf der Welt herrschen würden. Es hilft nichts: Wir müssen bei uns selbst beginnen und dürfen auch keine faulen Kompromisse mehr eingehen oder Abstriche machen, von dem, was wir uns wünschen. Da schaden wir uns nur langfristig selbst. Mir ist wichtig, dass du begreifst, dass wirklich alle „anders“ sind. Jeder Mensch ist ein Unikum. Allein deshalb schon ist es pure Zeitverschwendung, zu versuchen, irgendetwas Äußeres zu erreichen, was du selbst nicht bist. Du brillierst in deiner Farbe, deinem Sein nur, wenn du bei dir bleibst, dich nicht selbst verleugnest und dich nicht nur „optimierst“, um jemand anderes zu gefallen. Zögere also nicht weiter heraus, deine Farbe zu leben. Trau dich, auch wenn dein Umfeld nicht nur positiv auf dein neues Selbstbewusstsein und dein anderes Verhalten reagieren wird. Vielleicht hilft es dir, dich in solchen Momenten zu fragen, ob es nicht viel schlimmer wäre, eines Tages vor dem Spiegel zu stehen und dich selbst nicht mehr wiederzuerkennen, nur, weil du dich ständig vor dir versteckt und dich der Vorstellung anderer angepasst hast.

Ich mag’s pink!

Davon, wie man sich fühlt, wenn man für sein Farbe-Ausleben kritisiert wird, kann ich nicht nur ein Liedchen singen, sondern dir ein ganzes Album vorzwitschern. Seit ich ein kleines Mädchen bin, spielen Mode und Kleidung eine außergewöhnlich große Rolle in meinem Leben. Ich bin immer wieder davon fasziniert, wie gut man sich passend zu seiner Laune kleiden und sich mit den unterschiedlichsten Kleidungstücken und Accessoires in Szene setzen kann. Andere schrieben als Jugendliche Tagebücher, ich kreierte Looks für unterschiedliche Launen und Situationen. Zugegeben, rückblickend sah einiges
ziemlich schräg aus, dennoch bin ich von meinem früheren Ich, der kleinen Sandra, ihrer Kreativität und ihrem Selbstbewusstsein völlig fasziniert. Die kleine Sandra nahm irgendwelche alten Pyjamas, kritzelte etwas darauf, schnitt da etwas ab, klebte dort etwas dazu und präsentierte dieses Outfit, als wäre es das trendigste Teil überhaupt. Woher ich dieses Selbstvertrauen und diesen Mut nahm, weiß ich bis heute nicht, denn zu Hause, von meinen Freundinnen und Freunden oder den Leuten, die mir auf der Straße begegneten, erhielt ich dafür keinen Applaus. Stattdessen musste ich mir ziemlich oft herbe, verletzende
Kritik anhören. Die Kommentare der anderen gaben mir stets das Gefühl, irgendwie komisch und anders zu sein – genau das also, was ein junges Mädchen
in der Pubertät braucht! Nicht nur, dass mein ausgeflipptes Erscheinungsbild jedes Arschloch dazu ermutigte (jep, auch dich, Tante Fridi), mir ungefragt seine Meinung mitzuteilen, sondern ich musste mir auch noch anhören, dass ich mit meiner auffällig „anderen“ Kleidung doch nur bezwecke, aus dem Rahmen zufallen. Irgendwie traurig – ich dachte immer, Erwachsene müssten es doch eigentlich besser wissen. Doch in meiner Kindheit und Jugend waren sie es, die mich oft bremsten und zwangen, mit dem Strom der Masse zu schwimmen. Förderung von Individualität und Originalität von Heranwachsenden sieht für mich anders aus. Dass mir meine extrovertierte Art oft als etwas Schlechtes ausgelegt wurde, tat unheimlich weh. Und eine kurze Zeit meines Lebens versuchte ich auch tatsächlich, mich anzupassen. Aber das fühlte sich einfach noch viel merkwürdiger an. Ich fand schnell heraus, dass ich der
Welt und mir keinen Gefallen damit tun würde, ein mittelmäßiges Grau zu sein, obwohl ich eigentlich ein starkes und freches Pink bin.

"Sei eine erstklassige Ausgabe deiner selbst, keine zweitklassige von jemand anderem" – Judy Garland

Und zum Schluss habe ich noch eine schlechte Neuigkeit für dich: Egal, was du tust, an dir änderst, es wird immer Leute geben, die über dich reden. Als sich alle an meinen Kleidungsstil gewöhnt hatten und etwas „Neues“ hermusste, über das frau sich wieder das Maul zerreißen konnte, wurde über meine körperlichen Rundungen und meinen schönen großen Hintern hergezogen. „Was? Die ist Tanzlehrerin? Mit diesen dicken Oberschenkeln? Bebt da nicht der ganze Boden, wenn sie tanzt?“ Und wie er bebt! Vor Energie, Freude und Lebenskraft. Das Lästern der anderen sollte dich nicht daran hindern, dein Ding zu machen. Vor allem, weil durch das meiste Geschwätz der Leute nur ihre eigenen Grenzen und Unsicherheiten sichtbar werden. Hör auf, dich zu rechtfertigen, für das, was du bist und lebst, und so deine Zeit zu verschwenden. Solche Menschen kannst du meist eh nur davon überzeugen, dass das gut ist, indem du es ihnen vorlebst (und selbst das, musst du ja nicht unbedingt, denn es reicht ja, wenn du selbst damit glücklich bist). Deswegen: Hau rein!

„Mal dir deine Welt so, wie sie dir gefällt“

Farbe zeigen und in die Leuchtkraft kommen, heißt, zu sich selbst zu stehen, sich selbst zu lieben, wie man ist, und zwar in allen Bereichen des Lebens, mit allem Drum und Dran. Es betrifft den Körper, die Ernährungsgewohnheiten, den Sport, den du liebst, den Geist, deine Überzeugungen, deine Werte, deine Ziele, deine Seele, deine Gefühle, deinen Glauben, deine Spiritualität, deine Visionen, deine Fantasie und was dir sonst noch so einfällt. Male dir die farbenprächtigste Vision in allen Einzelheiten aus, die du dir vorstellen kannst, in Gedanken, in Schriftform oder mit Farbe und Pinsel. Nimm dir dafür diese Woche doch mal eine halbe Stunde Zeit. Deiner Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.