Wie ich die Schichten ablegte, um im Bikini schwimmen zu gehen

Sandra Wurster | 12 February, 2020


          
            Wie ich die Schichten ablegte, um im Bikini schwimmen zu gehen

Manchmal fühlt sich alles schwer an. Tausende Kilos schwer. Und wabbelig. Und dellig. Manchmal, da mag ich nicht im Bikini herumlaufen. Da mag ich ganz viele Schichten anziehen, damit ich meinen Körper nicht mehr sehen und all diese Gefühle erfolgreich verdrängen kann.

Ja, auch ich habe diese Momente, wenn auch immer seltener. Ich, die aus voller Überzeugung Texte über Body Positivity und Selbstliebe verfasst. Und manchmal fühle ich mich deshalb ein kleines bisschen wie eine Heuchlerin. Aber nur kurz. Weil mir dann wieder einfällt, woher diese Überzeugung kommt und wie ehrlich sie doch ist. Denn vor einigen Jahren, da waren diese Momente nicht manchmal, sondern meistens.

Ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern, wann ich mir das erste Mal Gedanken über meinen Körper und mein Aussehen gemacht habe. Aber woran ich mich erinnern kann, ist, dass ich schon sehr früh unbedingt erwachsen sein wollte. Und dabei spielte das Aussehen eine große Rolle für mich. Schon mit 10 Jahren stopfte ich mir meine kleinen BHs aus, weil ich größere Brüste haben wollte. Irgendwann dann bemerkte ich, dass meine Oberschenkel ein bisschen mehr Umfang haben als die meiner Klassenkameradinnen und begann, mich dafür zu schämen. Und mit 14 fing ich eine Diät an, die in eine Essstörung führte.

Zu dieser Zeit ging ich sehr oft schwimmen. Und ich weiß noch, dass ich mich nie so richtig wohlfühlte in meinem Bikini, obwohl ich schon so viele Kilos abgenommen hatte. Im Nachhinein ist es so verrückt zu erkennen, wie sehr sich die Selbstwahrnehmung verschieben und von der Realität abweichen kann.

Dank meiner Mama saß ich bereits wenige Monate später bei einer Psychologin. Ich war sehr schnell bereit dazu, etwas zu ändern, denn aus irgendeinem Grund verstand ich, dass das nicht der richtige Weg war. Die Therapie beendet ich ein Jahr später. Das ist jetzt bereits acht Jahre her – seitdem habe ich mich weder gewogen noch irgendeine Diät gemacht. Und angefangen, mich für mehr Selbstliebe und Körperakzeptanz einzusetzen. Im Nachhinein betrachte ich diese Reise zurück in den Einklang mit meinem Körper und ein gesundes Verhältnis zu ihm als meine ganz eigene kleine Heldinnenreise.

Und so finde ich mich nur noch manchmal bis selten in dem oben beschriebenen Moment, in dem ich mich schwer fühle und zweifle. Aber nur weil ich ihn kenne, weiß ich, wie scheiße es sich anfühlt. Und nur weil ich das weiß, kann ich mich in Dich hineinversetzen und empathische Texte schreiben. Nur weil ich das weiß, bin ich so überzeugt und nutze das Schreiben, um auch Dir zu helfen, diese Momente seltener werden zu lassen.

Was ich in solchen Momenten mache? Ich habe mir ein Alarmsystem eingebaut. Sobald ich merke, dass sich das negative Gedankenkarussell zu drehen beginnt, springt es an und macht Lärm. Wie Du das auch bekommst? Training durch bewusstes Beobachten Deiner Gedanken. Und wie der Lärm dann wieder aufhört? Gegensteuern und alles trotzdem tun, was Du vorhattest. Ich ziehe trotzdem den Bikini an und sage den Thermenbesuch mit meinen besten Freundinnen nicht ab. Ich gehe trotzdem in die Sauna, lege mich trotzdem an den Strand, ich tanze trotzdem.

Denn eines ist sicher: Ich möchte diesen Gedanken und Gefühlen nie mehr die Macht zugestehen, mich daran zu hindern, Dinge zu tun, die mir Spaß machen, die ich liebe, die mich erfüllen. Nie mehr. Ich möchte zu jedem Zeitpunkt die Macht über mich selbst und meine Entscheidungen haben – und als Berater die Liebe anstatt der Zweifel an meiner Seite wissen.

Und deshalb lege ich die Schichten ab. Und renne im Bikini über Strände und schwebe im Wasser. Es fühlt sich so leicht an. Und schön. Und vor allem frei.

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