Frau Wurster lässt Senf ab: Fokus, Fokus Baby!

Sandra Wurster | 30 July, 2020


          
            Frau Wurster lässt Senf ab: Fokus, Fokus Baby!

Vor etwa vier Jahren verbrachte ich mit meiner damaligen großen Liebe Tobias meinen und zugleich unseren ersten Strandurlaub in Portugal. Ein so wunderschönes Land und fast hätte ich diese Schönheit aufgrund meiner Selbstzweifel verpasst…

Direkt am ersten Tag zog ich super euphorisch meinen neuerstandenen, knallgelben Bikini an und wir gingen sofort an den Strand. Doch während die Sonne immer heißer wurde, schmolz mein Selbstbewusstsein immer mehr dahin. Es war so super hell, dass ich mich zum Teil wie in den schlecht beleuchteten H&M-Umkleidekabinen fühlte, nur dass ich diesen Ort nicht einfach verlassen konnte. Zudem überforderte mich mein eigener nackter Körper. Wo kamen plötzlich diese ganze Fleischmasse und die viele, wirklich viele Haut her? Ich wusste bereits, dass ich jeden Sommer etwas Gewöhnungszeit benötigte, um mich an meinen halbnackten Körper zu gewöhnen. Eine Zeit lang fühlte ich mich dann „viel zu viel“ und manchmal rechnete ich heimlich aus, wie viele leckere Steaks man aus mir machen könnte. Ich habe keine Ambitionen zum Kannibalismus, aber es ist mir ein enormes Bedürfnis, absolut ehrlich zu dir zu sein und meine dunkelsten und schambesetzten Gedanken mit dir zu teilen, damit du weißt, dass du nicht alleine bist und es auch nie sein wirst. Mittlerweile habe ich verinnerlicht, dass es keine Schwäche ist, zur eigenen Verletzlichkeit zu stehen, sondern dass sie gelebt werden muss, wenn ich wahre Authentizität und Lebendigkeit in meinem Leben erfahren möchte.

Zurück nach Portugal

Wie bereits erwähnt, kannte ich mittlerweile den Prozess. Was ich allerdings absolut nicht gewohnt war, waren die wunderschönen und dünnen Portugiesinnen, die mit ihren kleinen, knackigen apfelförmigen Popöchen an mir vorbei wackelten. Wurde hier gerade ein Bikini-Werbespot gedreht und ich bekam es einfach nur nicht mit? Nope, nirgends Kameras zu sehen. Ich konnte das Gefühl nicht loslassen, dass die Portugiesinnen alle dicken Personen eingesperrt haben mussten. Noch dazu spazierten sie top gestylt an diesem Strand entlang. Du kannst mich jetzt für oberflächlich halten, aber glaube mir, du wärst auch mehr als fasziniert gewesen von ihren glitzernden Bauchketten und den farblich perfekt abgestimmten Strandtaschen, Bikinis und Accessoires wie Hüten, Sonnenbrillen und Schmuck. Doch was mir wirklich den Rest gab, waren ihre süßen, kleinen Strandkissen – das hatte ich wirklich noch nirgends gesehen! Anschließend jagte ich Tobi in unendlich viele Shops, um auch eines zu ergattern, denn ich konnte mir keinen Strandtag mehr ohne den Komfort eines Strandkissens vorstellen. Es kam mir fast schon utopisch vor, wie glücklich mich noch vor einigen Stunden mein ganz „gewöhnlicher“ Bikini gemacht hatte. Doch bereits der dänische Philosoph Soren Kierkegaard wusste: „Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.“

Spätestes da kamen sich mein Bauch und die überteuerte Strandliege viel zu nah – ich zog den Bauch ein. Ich, Bauchfrau Sandra aus Stuttgart, die deutschlandweit Selbstliebe-Seminare anbietet, um anderen Frauen dazu zu inspirieren, das schmerzhafte „Baucheinziehen“ hinter sich zu lassen. Ich verglich mich also nicht nur und fühlte mich aufgrund dessen wie ein überdimensionales Monster, das aus vielen einzelnen Steaks bestand, sondern aktivierte jetzt auch noch meine innere Kritikerin, dir mir laut und unhörbar zurief: „Du olle Heuchlerin kannst dich nicht mal an deinen eigenen Scheiß halten, den du anderen vorbetest!“ Der Strandtag war gelaufen. Tobi versuchte, mich aufzuheitern und mich dazu zu bewegen, ins Meer zu gehen, doch ich keifte nur unfreundlich zurück und verließ meine Strandliege nicht. Es hatte keinen Sinn mehr: Wir packten unsere Sachen zusammen und fuhren zurück zur Finka.

Die Dicke im gelben Bikini

Während der Fahrt zur Finka grübelte es ordentlich in mir. Nicht nur, weil ich plötzlich die Bauchschmerzen vom dauerhaften Baucheinziehen wahrnahm (hatte fast vergessen, was das für schmerzhafte Krämpfe verursachen konnte), sondern auch, weil ich mich schämte, Tobi so böse angefahren und unseren ersten Urlaubstag mit meiner negativen Stimmung versaut zu haben. Mir wurde bewusst: Wenn ich meinen Fokus nicht schnellstmöglich neu ausrichtete, stieg die Gefahr immens, weitere tolle Momente zu verpassen und meinen Liebsten zu vergraulen.

Ich parkte Tobi am Pool und sperrte mich auf dem WC ein. Da stand ein riesengroßer Ganzkörperspiegel, den ich bereits am Morgen verflucht hatte (Wer bringt denn auch einen Ganzkörperspiegel im Bad an? Möchte man sich wirklich selbst beim Kacken zuschauen?!). Doch ich stellte mich mit meinem ganzen Mut vor ihn und erlaubte mir, alle meine Gefühle zu fühlen. Ich versuchte, die innere Kritikerin in mir zu stoppen, indem ich ihr und mir Folgendes sagte: „Über 21 Jahre wurdest du komplett anders konditioniert und es braucht Zeit, bis wirklich alle Muster und vernichtenden Glaubenssätze aufgelöst sind.“ Doch mit so vielen negativen Gedanken und Gefühlen hatte ich nicht gerechnet. Wo kamen die plötzlich alle her? Es fiel mir immer schwerer, mein Spiegelbild zu ertragen und ich brach völlig verheult auf dem Boden zusammen.

Die Tränen und der Rotz kannten kein Limit und als ich völlig die Kontrolle über meine Körperflüssigkeiten verloren hatte, blickte ich für einen kurzen Moment in den Spiegel (Typisch Frau: Steckt gerade in einem kleinen Nervenzusammenbruch, checkt aber noch ihr Aussehen). Dabei fiel mein Blick auf mein Dekolleté, das aus der Perspektive gar nicht „zum Kotzen“ aussah, sondern richtig lecker und ich musste über meinen eigenen Gedankengang schmunzeln. Doch nicht nur das, ich merkte auch, wie meine Laune innerhalb kürzester Zeit von „Ich bin der hässlichste Mensch der Welt & niemand kann mich lieben“ zu einer nur noch leichten Untergangsstimmung stieg. Ich beschloss, weitere Dinge an meinen Körper aufzuzählen und zu begutachten, die ich an mir mochte. Gar nicht so leicht, denn meine Fleisch- und Hautberge versperrten mir die Sicht, doch ich war fest entschlossen und konnte mit der Zeit immer mehr Dinge finden, die ich mochte, als schön empfand oder einfach nur witzig. Es fing an, mir Spaß zu machen und beruhigte mich sogar. Nach einer gewissen Zeit konnte ich einen weiteren Schritt gehen und mich ganz von der körperlichen Wertung frei machen. Ich erkannte ein kreatives, liebendes, menschliches Wesen, das anderen und vor allem sich selbst so viel zu geben hat, wenn es nur endlich die eigenen, grenzenlosen Möglichkeiten wahrnehmen könnte. Wow, ich war von meiner außergewöhnlichen Toiletten-Erfahrung selbst völlig verblüfft und vor allem mehr als erleichtert, dass ich nun endlich auch mental in meinem Urlaub ankam.

Die Königin meines Lebens

So, nun habe ich dich in mein Portugal-WC-Spiegel-Highlight eingeweiht. Tobi denkt wahrscheinlich bis heute noch, dass ich ziemlich bösen Durchfall gehabt haben musste. Soll er ruhig. Für mich war es einfach nur magisch, denn ich verstand damals zum ersten Mal, dass ich bewusst mitentscheiden kann, worauf ich meinen Fokus setze, welche Laune ich habe und auf welcher Energiefrequenz ich schwinge. Und das bezieht sich gar nicht nur auf meinen Körper. Es ist ja völlig klar, dass es auch meinen Gemütszustand beeinflusst, wenn ich den ganzen Tag nur Dinge an mir aufzähle und begutachte, die ich mangelhaft finde oder absolut nicht leiden kann. Genauso ist es umgekehrt: Wenn ich die Dinge an mir begutachte, die ich mag, und vielleicht sogar feiere, hebt das meine Stimmung drastisch. Ein großer Unterschied zwischen selbstsicheren und unsicheren Menschen ist, dass selbstsichere Menschen ihre Schwächen kennen, aber ihren Stärken und allem Schönen in ihrem Leben stets mehr Aufmerksamkeit widmen.

Wie bereits erwähnt, beeinflusst die Entscheidung, die ich damals traf, nicht nur meine Körperwahrnehmung, sondern meinen ganzen Lifestyle. Dankbarkeit half mir immer häufiger dabei, die alltäglichen Dinge, die ich für selbstverständlich hielt, wieder als die Wunder anzuerkennen, die sie sind. Darüberhinaus lernte ich, dass ich mir in täglichen, spirituellen Praxen und Ritualen wahrhaftig selbst begegnen kann, dass ich darin Grenzen und Ängste abbauen und mich auf meine Lebenspläne fokussieren kann. Voller Dankbarkeit führe ich mir darin auch heute vor Augen, dass ich die Königin meines Lebens bin, in Fülle lebe und das Universum nur noch auf meine „Bestellungen“ wartet. Anstatt mich mit meinem begrenzten Mindset zum Butler meines Daseins zu machen, der sich im Mangel befindet, weil er nur diesen fokussiert. Eine alte Zen-Weisheit besagt: „Wer sich über das freut, was er hat, hat keine Zeit mehr, über das zu klagen, was er nicht hat.“ Und indem ich dankbar bin, erinnere ich mich natürlich auch daran, wie einzigartig ich bin.

Ein lebenslanger Prozess

Doch eine weitere Lektion, die ich damals vor dem Spiegel auch lernen durfte und die ich dir auch mitgeben möchte, ist Geduld. Selbstliebe ist ein lebenslanger Prozess, der dich auf deinem Weg begleiten wird. Deshalb hat es keinen Sinn, dein Leben zu verwarten und deine Träume zu vertrösten bis du endlich ein „besserer” Mensch geworden bist. Sei nett zu dir, denn vermutlich ist deine innere Stimme oder deine innere Kritikerin alles andere als nett zu dir. Wir sind oftmals so viel härter zu uns selbst als wir es zum Beispiel zu unseren „Feinden“ sind, dabei kann der Rest der Welt erst sanfter und liebevoller mit uns werden, wenn wir es zuvor mit uns selbst sind. Vielleicht hilft es, dir vorzustellen, wie eine liebevolle Mutter mit ihrem Kind spricht – genauso solltest du auch mit dir selbst umgehen und sprechen.

Heute kommt es immer häufiger vor, dass ich am Spiegel vorbeilaufe und mir selbst laut zurufe: „Heute wird dein Tag, Schnecke!” Und ich möchte dich nicht anlügen: Ganz, ganz selten gibt es noch Tage, an denen die Sicht leicht benebelt ist und mir ein paar zusätzliche Fleisch- und Hauthügelchen den liebevollen Blick erschweren, aber sie werden immer weniger. Doch tatsächlich sagen meine aktuellen Stimmung und Lebensphasen, in denen solche Tage noch vereinzelt vorkommen, mehr über mich aus. Und du wirst es kaum glauben: Ich bin gerade tatsächlich am überlegen, ob ich mir einen Ganzkörper-Spiegel ins Bad hänge.

Ganz viel Bauchliebe an dich von deiner Bauchfrau Sandra

P.S. Psssst: Falls du noch weitere von Sandras Geschichten lesen und noch mehr Tipps erfahren möchtest, wie du deinen Sommer endlich ohne Zweifel und stattdessen voller Freude erlebst, dann halte die Augen offen – schon ganz bald wird es etwas megamäßig Cooles für dich geben!

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