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Kleine Gedankenfetzen: Achsel-Polsterchen

Sandra Wurster | 16 September, 2020


          
            Kleine Gedankenfetzen: Achsel-Polsterchen

Liebe Achsel-Polsterchen ❤️,
heute möchte ich euch um Verzeihung bitten und hoffe, dass ihr mir vergebt, dass ich so lange gebraucht habe, um euch als Teil meines einmaligen und starken Körpers zu betrachten. Früher wart ihr für mich die unschönsten Wülste der Welt. Ich war so besessen davon, euch loszuwerden, dass ich nie wahrnahm, dass es nicht ihr wart, gegen die ich wirklich etwas hatte, die ich nicht liebgewinnen konnte oder mit denen ich mich nicht identifizieren wollte, sondern das Bild, das mir Ärzte, die Gesellschaft und vor allem die Schönheitsindustrie versuchten, überzustülpen. Nämlich, dass ich ein dicker, undisziplinierter, unsportlicher Mensch bin, der sich doch bitte “etwas mehr bemühen” sollte. Mehr beMühen, gesünder zu essen, beMühen, mehr Sport zu treiben, beMühen, meine ganzen “Problemzonen” zu kaschieren, und dabei vor allem ständig beMühen, selbstbewusst zu wirken, damit ich auch keine Fläche für Angriffe bot. All diese Mühe und der Schmerz des “nicht genug” Seins und sich dadurch nicht “liebenswert” Fühlens kostete mich wahnsinnig viel Kraft. So viel Kraft, dass ich manchmal lieber nicht das Haus verlassen wollte, weil ich das Gefühl hatte, nicht stark genug zu sein für all die Blicke, Bemerkungen und die “gut gemeinten” Ratschläge, die an jeder Straßenecke auf mich warteten. Wenn ich heute sage, ich kämpfe, dann nie gegen meinen Körper, sondern immer gegen all diese veralteten und unbewussten Vorurteile, die mich ständig in eine Rolle, eine Schublade zu stecken versuchen. Und dafür, dass die nächste Generation an jungen Menschen diese Mühe nur allein für sich, ihre Träume und Wahrheiten investiert. Dafür, dass jede Frau unabhängig ihrer Kleidergröße versteht, dass der einzige Mensch, von dem sie eine Erlaubnis zum Leuchten braucht, sie selbst ist.

Ich bin ein Mensch mit einem wunderschönen großen Körper (und Achsel-Polsterchen), manchmal sportlich und sicherlich alles andere als faul. Überraschung: Ich passe in keine Schublade, schon lange nicht mehr! Meine Wahrheit und ich brauchen Platz und den nehme ich mir jetzt endlich. Ich mache mich sichtbar und hörbar! Achso, und ICH BIN GENUG, und das wirklich immer immer immer…

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