Wie du lernst, Nein zu sagen

Sandra Wurster | 19 December, 2019


          
            Wie du lernst, Nein zu sagen

Vor kurzem sagte eine Freundin zu mir, dass ich kein Gewissen hätte, weil ich ganz klar und ohne Zweifel eine Einladung zu einer Feier ablehnen konnte. Sie meinte es ganz und gar nicht negativ, das weiß ich. Im Gegenteil: Sie feiert es, den eigenen Bedürfnissen zuzuhören und ihnen dann auch zu folgen. Und nicht nur sie – für so viele von uns ist das eine Art Ziel, an das wir alle gelangen wollen, uns aber meistens so weit davon entfernt fühlen. Und auch ich bin noch lange nicht dort.Aber warum fällt es uns eigentlich so schwer, nach unseren Bedürfnissen zu handeln und Nein zu Dingen zu sagen?

Warum es uns so schwer fällt

Weil es bedeutet, Menschen und nicht selten geliebte Menschen möglicherweise zu enttäuschen. Wo wir doch so dringend von ihnen geliebt werden wollen. Dabei bedeutet eine Absage ja weder, dass sie enttäuscht sind, noch, dass sie uns nicht mehr lieben. Wir meinen, schon vorher wissen zu können, wie unser Gegenüber reagieren wird. Weil wir so große Angst davor haben, nicht mehr geliebt zu werden.

Liebe ist unsere Währung, unser Geld, unser Mittel. Das, womit unser Konto gut gefüllt sein soll. Ohne fühlen wir uns nicht lebensfähig. Denn von einer Gesellschaft ausgeschlossen zu werden, bedeutet für uns immer noch quasi das Ende – obwohl wir offensichtlich schon lange nicht mehr auf ein Rudel angewiesen sind, um zu überleben. Diesen Urinstinkt tragen wir so tief in uns verwurzelt mit uns herum, sodass wir immer noch unser Handeln von ihm beeinflussen lassen. Nun ist es ja aber so: Erstens wird mit großer Sicherheit niemand von uns von der Gesellschaft ausgeschlossen, wenn wir auf unsere Bedürfnisse hören. Und zweitens vergessen wir eines dabei komplett: Wir sollten unser Konto zuallererst mit Selbstliebe auffüllen.

Wie du es schaffst, wieder deinen Bedürfnissen zu folgen

Und es ist lustig: Wenn du dich um dich selbst kümmerst und dir selbst viel Liebe schenkst, beginnst du automatisch damit, auf deine Bedürfnisse zu hören und für dich einzustehen. Das heißt, der allererste Schritt in die Richtung deines Ziels ist mehr Selbstliebe. Ja, der Begriff ist ein bisschen groß und auch ein bisschen ausgelutscht. Was bedeutet das denn konkret, diese Selbstliebe, von der alle sprechen?

Lass es uns runterbrechen: Nimm dir Zeit für dich! Jeden einzelnen Tag. Keine Ausrede der Welt kann rechtfertigen, wenn du es nicht tust. Und tu in dieser Zeit nur, was dir gefällt und guttut. Sei es ein Bad zu nehmen, eine Zeitschrift zu lesen, zu malen, Tagebuch zu schreiben, Klavier zu spielen, spazieren zu gehen, zu kochen – es gibt sicher etwas, das dich entspannen lässt und dir gute Laune macht. Und wenn du vergessen hast, was es ist, hast du dir definitiv viel zu lange nicht mehr Zeit dafür genommen. Umso wichtiger, dir ernsthaft Gedanken darüber zu machen! Du kannst dir auch eine Liste anlegen, dass du nicht mehr lange überlegen musst, wenn du dir mal wieder Me-Time nimmst.

Außen wird lauter, innen wird leiser

Wenn du dann eines dieser Dinge tust, wird dir auffallen, dass du dir dadurch wieder näherkommst. Und sich näherzukommen bedeutet auch, die eigenen Bedürfnisse besser zu hören. Denn in dieser Wohlfühlzeit wird alles um dich herum leiser und du hörst alles in dir drin lauter. Du lernst dich besser kennen. Was so schwerfällt, wenn du den ganzen Tag mit Dingen in der äußeren Welt beschäftigt bist. Und plötzlich kommen da Bedürfnisse in dir zum Vorschein, die du vielleicht schon immer irgendwie so ein bisschen fühlen, aber nie so richtig fassen konntest. Das kann das Bedürfnis nach Ruhe sein oder nach Kreativität, nach Gesellschaft, nach persönlicher Weiterentwicklung, nach Spiritualität.

Eines sei dir gesagt: Wenn es einmal laut ist, wird es auch laut bleiben und so lange Radau machen bis du ihm nachgibst. Weil es beachtet werden muss, wenn es dir gut gehen soll. Indem du dir immer wieder die Zeit nimmst, um dir selbst zuzuhören, wächst dein Selbst-Bewusstsein automatisch. Du bist dir selbst bewusster und wenn du dir bewusster bist, fällt es dir schwerer, die lauten und auch die leisten Bedürfnisse zu ignorieren. Also beginnst du, sie in deine Entscheidungen miteinzubeziehen.

Es ist okay, trotzdem Angst zu haben

Die Angst, von anderen deshalb abgelehnt zu werden oder andere damit zu enttäuschen, verschwindet dadurch nicht direkt. Aber das ist okay. Du kannst auch mit dieser Angst leben. Wenn du dir im Gegenzug selbst Liebe schenkst, wie eben etwa durch Me-Time. Und umso öfter du auf deine eigenen Bedürfnisse hörst, desto leichter fällt es dir auch. Desto leichter fällt es dir, Nein zu anderen und Ja zu dir selbst zu sagen.

Nein zur Einladung zu einer Feier, auf der Menschen sein werden, die dir nicht guttun. Ja zu einem Abend mit dir selbst. Nein zu einem weiteren Projekt, dass dir dein*e Vorgesetzte*r aufbrummen möchte. Ja zu weniger Stress und deiner eigenen Gesundheit. Nein zu Gedanken in deinem Kopf, die dich runterziehen und kleinmachen. Ja zu Gedanken, die dich empowern und ermutigen.

Du selbst bist der Mensch, mit dem du dein ganzes Leben verbringst. Du selbst bist der Mensch, der all die Liebe dieser Welt und ein außergewöhnliches Leben verdient hat. Also steh auf und geh los – mit deinen Bedürfnissen an der Hand!

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