Vor Kurzem habe ich eine meiner Visualisierungsübungen gemacht: tief entspannt und mit einem Lächeln im Gesicht versetzte ich mich in das Gefühl, an der wunderschönen Amalfiküste Italiens zu sein, den Wind in meinen Harren zu spüren und mein neues Lieblingskleid zu tragen. Und anders als erwartet, nahm ich plötzlich wahr, dass ich dies nicht mehr allein erleben wollte. Meine Seele hatte anscheinend keine Lust mehr auf Einsamkeit. Ein Gefühl der Traurigkeit überkam mich, denn ich hatte darauf hingearbeitet, liebevoll mit mir allein sein zu können, niemanden zu brauchen und mir die Ruhe zu schenken, die ich nach dem Beenden zweier sehr intensiver „Liebesbeziehungen“ dringend benötigt hatte. Und diese Zeit sollte nun vorbei sein?
Sofort überkam mich das Gefühl, überfordert und noch nicht bereit zu sein, um mich wieder für die Liebe zu öffnen, geschweige denn sie zu wollen. Gut, dass meine Bedürfnisse mittlerweile ihren ganz eigenen Weg gefunden haben, mit mir zu kommunizieren. Die Traurigkeit setzte sich auch daraus zusammen, dass mir in dem Moment wieder bewusst gemacht wurde, dass ich unbewusst einen Altar ums „Alleinsein“ gebaut hatte und mir davon erhoffte, „glücklich zu werden“.
Dabei verlor ich mein Gleichgewicht. Allein sein zu können und es auch noch zu genießen, mit allem, was ich mir drumherum ausmalte (wie alleine zu reisen und eine neue Sprache zu lernen), beinhaltet natürlich einige Geschenke. Doch wie bei so vielem ist ein Extrem selten gut. Zudem wollte ich eine ziemlich lange Zeit einfach vergessen, dass ich die Liebe, besonders die romantische, sehr liebe.
Ich habe mir ziemlich lange keine Gedanken mehr darüber gemacht, wie schön Zweisamkeit sein kann, da ich ständig auf meine schöne Einsamkeit ausgerichtet war. Und ja, ich mache mir da absolut nichts vor: Sicherlich habe ich die Zweisamkeit auch aus Angst vor Verletzungen, Dating-Schocks (mein letztes Date ist nun über 6 Jahre her) und meiner eigenen Liebesbedürftigkeit einfach gar nicht mehr gewollt.
Und da erinnere ich mich an diese eine ganz besondere Stelle aus meinem ersten Arthaus-Film Die fabelhafte Welt der Amelie, wo der alte, zerbrechliche Maler eine wichtige Video-Botschaft für Amelie aufnimmt: „So, meine kleine Amelie, Sie haben keine Knochen aus Glas, Sie dürfen sich ins Leben stürzen. Die Chance dürfen Sie nicht ungenutzt vorbei ziehen lassen, sonst wird Ihr Herz mit der Zeit nach und nach so trocken und verletzlich wie mein Skelett. Also, verdammt doch mal, los jetzt!“
Schön, nicht? Übrigens eine absolute, absolute Filmempfehlung!
Da hatten sich wohl ziemlich viele Herz-Erkenntnisse in letzter Zeit bei mir gesammelt. Und da mein Kopf immer versucht, alles verstehen und nachvollziehen zu können, rauchte mir der Schädel und ein noch nie da gewesenes Bedürfnis nach frischer Luft machte sich bemerkbar. Ein Spaziergang musste her.
Und während mein Kopf ständig nach Antworten und Gedanken-Strukturen suchte, bot sich mir, ob ich wollte oder nicht (einige wissen ja bereits, dass ich nicht die größte Natur-Genießerin bin), der Duft des Frühlings, der glitzernde See im Stadtpark (habt ihr etwa gedacht, dass ich gleich den nächsten Wald aufsuche?) und auf ihm Schwäne und Enten mit ihren Neugeboren. Ich muss schon sagen, Vollkommeneres ist wohl kaum möglich. Als ich so die Aussicht genoss, musste ich selbst den Kopf darüber schütteln, dass ich noch viel zu oft suche, obwohl mir doch bereits alles zu Füßen liegt.
Mir wurde wieder bewusst, dass wir vielleicht gar keine „Suchenden“ sind, sondern uns endlich selbst erlauben dürfen, zu empfangen und zu kreieren. Doch was bedeutete das nun für mich? Auf jeden Fall möchte ich mich der Liebe, vor allem der romantischen, wieder hingeben. Denn ich sehe das so: Wer zu viel Angst vor dem „Verlieren“ hat und sich ausschließlich davon leiten lässt, ist nicht im Spiel. Und meinen Visualisierungsübungen schaden ein paar Upgrades sicherlich nicht.
Ob ich mich jetzt auf einem Firtportal anmelden werde? Höchstwahrscheinlich, aber vielleicht auch nicht. Ich weiß es selbst noch nicht so genau, doch das macht es eben so spannend… und den neuen Vibrator, den darf ich mir ja trotzdem gönnen. Denn das Leben ist nicht als “entweder oder”-Prinzip gedacht.
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