Liebe Mütter, hört auf, euren Töchtern zu sagen, dass sie schön sind!

Sandra Wurster | 18 October, 2021 | 1 Kommentar


          
            Liebe Mütter, hört auf, euren Töchtern zu sagen, dass sie schön sind!

Wenn wir Mädchen und jungen Frauen von klein auf stets Komplimente zu ihrem Aussehen vermitteln, lenken wir ihren Hauptfokus automatisch auf ihr Aussehen, ob wir wollen oder nicht. Die Zahlen essgestörter Menschen sprechen zusätzlich dafür, dass dies nicht unbedingt nützlich ist. Eine jede Mutter darf darüber hinaus sich selbst fragen, inwiefern unser aller Erscheinungsbild wirklich wichtig ist? 

„Du bist ja brav und still“ sind genauso unangebrachte Komplimente für junge Mädchen wie „Wow, bist du mutig“ für Jungs. Sprache gestaltet unsere Welt und formt unser Gedankengut. Und auch wenn unsere Absichten meistens eine ganz andere sind, wird es höchste Zeit zu reflektieren, was solche Äußerungen für Wirkungen und Spuren hinterlassen. Rollen und Schubladendenken sind sowas von gestern!

Aufgabe für dich:

Beobachte deine Sprache und auch deine Gedanken. Zu welchen Worten neigst du bei Mädchen und bei Jungen? Kannst du ein bestimmtes Muster erkennen? Keine Sorge, das Erkennen ist bereits ein enormer Schritt und verhilft, das angelernte wieder bewusst zu verlernen. 

Deine Tochter hört alles, was du (dir) sagst: 

Wie oft bestellst du dir Salat und sagst anschließend zu deinem Lebenspartner: “Du weißt ja, ich mache gerade Diät”? Wie oft verteilst du an deine besten Freundinnen Komplimente wie: “Wow, du siehst voll gut aus, hast du abgenommen?” Wie oft stehst du vor dem Spiegel und forcierst deine „Problemzone“, manchmal sogar mit dem ein oder anderen abwertenden Kommentar dir selbst gegenüber? 

Und was implizieren all diese Äußerungen im Kern? Richtig, dass du nicht gut bist, so wie du bist. Dass Abnehmen und das ständige Kontrollieren des eigenen Gewichtes zu einem besseren Selbstwert beitragen. 

Fang an zu überprüfen, ob du so wirklich von dir selbst denken willst und dies automatisch deiner Tochter weiter geben möchtest?

Aufgabe für dich: 

Fang an einen liebevolleren inneren Dialog mit dir selbst zu führen. Oftmals sind wir noch nicht in dem Bewusstsein angekommen, dass wir als Erwachsene uns nicht ständig bemühen müssen, um Anerkennung und Liebe zu erhalten. Und deshalb haben wir vor vielen Jahren unsere innere Kritikerin eingestellt, die uns stets zur Bestleistung treibt. Doch du kannst dir dessen bewusst werden und sie gegen die innere Beobachterin, beste Freundin und Supporterin Perspektive austauschen. Dazu haben wir eine passende Meditation: Meditation von Sandra Wurster. Sprich mit dir wie eine liebevolle Mutter mit ihrem Kind. Du darfst mitfühlend zu dir selbst sein. Dies wird automatisch seine Wirkungen auch nach außen transportieren. 

Meines Erachtens nach konnte die Welt überhaupt nur ihren extremen dominanten Anteil erlangen, weil wir Frauen uns zu sehr von der Angst leiten lassen. Angst nicht dünn genug zu sein. Angst nicht verheiratet zu sein. Angst vor dem Altern. Ein Begleiter, der uns blockiert und klein hält. Es wird Zeit sich endgültig davon zu verabschieden. Stelle deine eigenen Regeln auf! Eine könnte zum Beispiel sein, diese lähmende Angst nicht deiner Tochter weiterzugeben…

Powerkraft: Vorleben 

Doch die wahre verborgene Kraft steckt hier im Vorleben. Und solange keiner von uns mehrere Oscar’s in der besten Darstellung als „Frau, die ihren Körper liebt“ gewinnt, sorgt die schlechte Inszenierung oftmals nur für noch mehr Verwirrung bei unseren Kindern. Wir müssen uns da absolut nichts vormachen, unabhängig davon, was wir unseren Töchtern sagen und predigen, ziehen sie ganz selbstständig ihre Schlüsse, wenn wir mal wieder die dreißigste Diät starten, Shape-Unterwäsche tragen, hauptsächlich Kleidung wählen, die Schwarz ist und kaschiert und am Strand stets verkrampfter sind, als sonst. Ja liebe Mütter, das nenne ich mal Heuchlerei erster Klasse!

Meine eigene Mutter, eine charismatische Frau mit Ausstrahlung, lebte mir vor, dass ich als Frau selbstverständlich Fläche einnehmen und laut sein durfte. Dennoch aß sie nach 17:00 Uhr seltenst etwas, cremte ihren ganzen Körper mit einer Fettcreme und wickelte sich für die Nacht mit „Frischhalte-Folie“ ein - um die Fettverbrennung anzukurbeln. Und auch wenn es im Nachhinein ein sehr amüsantes Bild ist, ist es absolut nicht amüsant, dass ich meiner Mutter nacheiferte und das bereits mit 12 Jahren. Zudem war die meist gestellte Frage meiner Mutter an mich, während sie seitlich vor mir stand: „Sieht man, dass ich abgenommen habe?“. 

Dadurch kreierte ich einen sehr wackligen Selbstwert; im Außen hielt ich den Anschein des selbstbewussten Mädchens aufrecht, doch im inneren empfand ich mich stets ungenügend. Dünn und schön zu sein war mein größtes Bestreben in meiner Teenagerzeit. Eben so wie es mir vorgelebt wurde. Dadurch entwickelte ich ein ziemlich gestörtes Verhältnis zum Essen und eine extrem verzerrte Körper-Wahrnehmung. Ich empfand viele Jahre den Blick in den Spiegel unerträglich, machte mehrere Crash-Diäten hintereinander und lies mich unter anderem auch auf Beziehungen ein, die mir schadeten…

Es geht hier nicht um Schuldzuweisungen. Die sprechen immer nur die eigene Macht und Eigenverantwortung ab. Ich habe meiner Mutter - wie auch den meisten Frauen, die mich als junges Mädchen umgeben und begleitet haben - verziehen. Erkannt, dass in ihren eigenen Herzen eine große Sehnsucht nach Selbstakzeptanz und Liebe herrscht. Und verstanden, dass es eben auf paradoxe Art und Weise für viele oftmals leichter scheint, wenn man sich innerlich nicht genügt und schön fühlt, im Außen durch Diäten, Kleidung und Co. sich etwas besser zu fühlen. Doch unser enorm unbewusstes Handeln prägt jeweils die Generation, die wir aufziehen. Ist es deshalb nicht nun endlich an der Zeit, dem unnötigen Kreislauf von Optimierungen - besonders Diäten - endgültig entgegen zu wirken? Wie? In dem wir heilen und beginnen, ehrlich zu uns selbst zu sein. 

Unsere Motivation, unsere Töchter - die Frauen von Morgen, die nicht nur wissen, sondern es auch wirklich fühlen, dass das unwichtigste an ihnen ihr Aussehen ist und all das interessante - wie unter anderem ihre Träume, ihre Verletzbarkeit, Ihr Mut - sich im inneren befindet. Ich kann es kaum abwarten eine Generation von Frauen zu erleben, die nicht mehr unnötig Energie und Zeit verliert, um stets den Bauch einzuziehen, zu hungern und die eigene Originalität in den Schatten stellt, weil sie sich immer wieder vergleicht. Sondern echt und natürlich ihr Sein feiert, den Strandtag ungeniert genießt und voller Lebenshunger in den Burger hineinbeißt (ohne sich Gedanken zu machen, was nun andere über einen denken oder die Waage anzeigt). Eine Generation junger Frauen, die ihre Mütter einlädt, ihre Körper ganz neu betrachten zu lernen und mit denen man gemeinsam die letzten Schritte der Heilung angeht. 

Liebe Mütter der Welt, es ist nie zu spät einen neuen, einen anderen Weg der Kommunikation und der Perspektive zu wählen. Mir ist bewusst, das sich hinter dem Hinterherjagen der Illusion von Schönheit oft die Angst verbirgt, was man eigentlich ist, wenn Schönheit kein nennenswerter Faktor mehr ist.

Die Antwort bleibt jedem selbst überlassen, dennoch möchte ich aufmuntern diesen kleinen Schmerz des Selbstbetruges wahrzunehmen und hinein zu fühlen. Denn Ehrlichkeit ist einer der größten Geschenke, die wir uns selbst machen können. Deshalb geht es auch nicht darum unseren Kindern die perfekte Selbst-und Körperliebe vorzuleben, besonders weil ich bezweifle, dass es das „Perfekte“ gibt, sondern sie mitzunehmen auf unserer eigenen Reise und dabei authentisch zu bleiben. 

Aufgabe für dich: 

Mit unserem „Kopf aus. Bauch an.“ Bauchgeflüster-Kartenset kannst du gemeinsam mit deiner Tochter täglich eine Karte ziehen und jeweils darüber reden, was ihr dazu empfindet. Auf den Karten befinden sich spannende Fragen zur Selbstreflexion und kleine Aufgaben, die einladen eine liebevollere Perspektive zu sich und seinem Körper einzunehmen. Ihr könnt auch gemeinsam zusätzliche Karten basteln und dazu legen, somit bekommt alles nochmals einen individuelleren Touch. 

Film Empfehlung: Embrace von Taryn Brumfitt

Buchtipp: „Liebe Ijeawele: Wie unsere Töchter selbstbestimmte Frauen werden“ von Adichie, Chimamanda Ngozi 

In meiner Arbeit als Tanzpädagogin lernte ich ein junges Mädchen kennen, die ich über mehrere Jahre begleiten durfte. Inés, die jede Herausforderung mit Leichtigkeit zu meistern schien und ein ganz außergewöhnliches Urvertrauen besaß. Wenn Ihre Eltern mal im Stau standen und sie nicht abholen konnten, kein Problem für Inés. Mit ihrem kleinen City-Roller machte sie sich selbstständig auf den Weg. Als ich ihr sagte, dass sie sich hier nicht auskannte und ich gerne gemeinsam mit ihr auf ihre Eltern warten würde, erwiderte sie mir darauf: „Dass sie schon einen Bus finden würde, der sie in die Stadt bringen würde“. Da war sie gerade mal 9 Jahre alt. Eines Tages musste ich einfach ihre Mutter fragen, was für einen Zaubertrick sie bei ihrer Tochter angewendet hatte. Sie antwortet mir: „Ich habe ihr immer ins Ohr geflüstert, als sie schlief, dass sie eine außergewöhnliche Seele sei, alles schaffen kann und stets geliebt ist“. 

Was wirst du heute deiner Tochter, deinen Töchtern ins Ohr flüstern? 

Deine Sandra 

Kommentare (1 Antwort)

19 October, 2021

Judith

Ich sage meiner Tochter jeden Tag, dass sie huebsch ist und niedlich und was fuer ein tolles Kleid sie an hat…Meinem Sohn hingegen sage ich komplett andere Dinge. Ich habe das noch nie so reflektiert und bin fast erschrocken, dass ich auch diesen Mustern folge. Ich werde jetzt echt mehr aufpassen, was ich meinen Kindern sage und vor allem, was ich mir selbst sage und ihnen jeden Tag vorlebe…

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