Interview mit Kim Sternemann: Gefühle – Wie du lernst, mit ihnen umzugehen

Sandra Wurster | 09 March, 2021


          
            Interview mit Kim Sternemann: Gefühle – Wie du lernst, mit ihnen umzugehen

Interview mit Kim Sternemann (Instagram: @kim_sternemann)

Hallo, liebe Kim! Bevor ich mit dir als Expertin über Gefühle sprechen möchte, stell dich doch kurz mal vor: Wer bist du und was machst du?

Kim:Ich bin Kim, ein Menschenkind, das ganz viel Lust auf Abenteuer und Liebe hat. Ich bin im Sternzeichen des Löwen geboren und ich glaube auch, der wohnt in mir. Ich bin ein Löwenmädchen, das das Leben liebt. Und ich lebe für die Liebe. Ich habe ein ganz großes Bedürfnis nach Sinnlichkeit, Genuss und schönen Dingen. Was nicht bedeutet, dass ich die schrecklichen Dinge, die das Leben mitbringt, ablehne. Ich habe Bock auf Power und Energie und ein Zerfließen in Emotionen. Und einen großen Drang nach Suchen, Forschen und auch Finden. Wenn ich mich selbst in einem Satz beschreiben müsste, würde ich sagen: Ich bin ein Gefühl auf zwei Beinen.

Beruflich arbeite ich seit neun Jahren als Coach und Yogalehrerin mit therapeutischem Schwerpunkt. In den letzten vier Jahren habe ich mich auf das Thema Gefühle und Emotionen spezialisiert. Auch durch meine eigene Lebenssituation habe ich mir irgendwann die Frage gestellt: Worum geht es hier wirklich? Diese Frage habe ich für mich damit beantwortet, dass es am Ende immer ums Gefühl geht. Am Ende geht es immer darum, wie ich mich fühle – in mir, meinem Leben, meiner Partnerschaft, meinem Beruf.

Wie sah dein Weg zum Thema Gefühle und Emotionen konkret aus?

Kim:Ich selbst bin ein sehr emotionaler Mensch und drücke meine Persönlichkeit permanent auf Gefühlsbasis aus. Dabei bin ich aber schon immer auch in Konflikte geraten, weil ich als Kind gerade von väterlicher Seite gelernt habe, dass Gefühle und Emotionen nicht wirklich sein dürfen bzw. nur die positiven. Ich bin ein sehr fröhlicher Mensch, aber jemand, der extrem positive Gefühle fühlen kann, kann eben auch extrem negative Gefühle fühlen. Auch in meinen Partnerschaften gab es häufig Konflikte, wenn mein Gegenüber mit meiner negativen Gefühlswelt konfrontiert wurde. Da muss ich dazu sagen: Es gibt grundsätzlich keine guten und schlechten Gefühle, diese Bewertung haben wir Menschen erst reingebracht. Ich habe geschlussfolgert, dass alles gut ist, solange ich glücklich bin, aber wenn ich in andere Gefühle komme, führt das zu Problemen. Also habe ich mir Gefühle wie Traurigkeit oder Wut versucht, abzutrainieren, aber sie kamen natürlich immer wieder.

Irgendwann habe ich mich dann gefragt, warum wir bestimmte Gefühle in uns eigentlich ablehnen. Von klein auf lernen wir, dass ein Teil von uns nicht sein darf. Dann habe ich das versucht zu erforschen. Wenn jemand im Coaching meinte, er wäre gerne glücklicher, habe ich nicht mehr gefragt, wie wir das machen können, sondern: „Warum darfst du denn nicht unglücklich sein?“ Über meine Arbeit daran habe ich eine komplett neue Dimension entdeckt. Das heißt, die Frage ist für mich erst einmal nicht, wie du glücklicher wirst, sondern wann dir in deinem Leben begegnet ist, dass du nicht unglücklich sein darfst. Was passiert, wenn du unglücklich bist? Natürlich fühlt es sich scheiße an, aber es ist nun einmal Teil vom Leben und Teil von dir. Dadurch eröffnen sich innere Gefühlswelten, die bisher keine Daseinsberechtigung haben.

Was ist eigentlich ein Gefühl?

Kim: Es gibt keine klare Definition des Unterschiedes von Gefühl und Emotion. Ich finde aber, es gibt eine ganz schöne Beschreibung. Ein Gefühl ist etwas, das kurz da ist und dann wieder geht. Eine Emotion hingegen ist etwas, das sehr alt sein kann und über einen längeren Zeitraum bleibt. Ein Beispiel: Du fährst Auto, der Fahrer vor dir bremst ganz plötzlich und du regst dich auf. Das ist ein Gefühl, das wieder geht. Der Begriff Emotion wird im Englischen auch zu „energy in motion“ gemacht. Es ist also eine Energie, die sich bewegen will. Wenn sie sich aber in dir festsetzt, reden wir von einer „stucked emotion“. Das kennen wir alle, wenn wir uns über einen längeren Zeitraum nicht gut fühlen.

Gefühle sind dafür da, um dich zu schützen. Wenn du dich etwa zu lange in einer starken Emotion wie Angst befindest, fährt dein Körper runter in den Freeze-Modus, den Überlebensmodus. Grundemotionen wie Angst, Traurigkeit, Freude und Liebe bringen Spannungsfelder mit. Und wenn ein Spannungsfeld zu lange beibehalten wird und das Nervensystem zu lange hochgefahren bleibt, dann bedeutet das Gefahr. Gefühle haben generell also eine Schutzfunktion. Und sie sind auch ein innerer Kompass. Sie sind eine Antwort auf körperlicher Ebene.

Wie und wann verlieren wir den Zugang zu unseren Gefühlen?

Kim: Als Baby kannst du nichts anderes als dich über Gefühle auszudrücken. Bevor du wirklich denken kannst, nimmst du Empfindungen wahr und drückst sie aus. Gefühle sind also schon da, bevor du sie dir erklären kannst. Das verändert sich im Laufe deines Lebens. Du fängst an, dir zu erklären, warum die Dinge so sind wie sie sind. Mit sieben, acht, neun Jahren hinterfragst du deine Empfindungen und suchst Erklärungen. Und dann kommt es dazu, dass du Gefühle wahrnimmst, aber keine Erklärungen findest und als Konsequenz einen Bezug zu dir selbst herstellst. Du denkst: Wenn ich mich so fühle und mein Umfeld mir widerspiegelt, dass es nicht okay ist, bin ich also falsch. Und weil du die Situation nicht verlassen kannst als Kind, verlässt du einfach dich und den wütenden oder traurigen Anteil in dir. Das führt dazu, dass du deine Gefühle irgendwann gar nicht mehr richtig wahrnehmen kannst.

Wie kann ich diesen Zugang dann wieder finden?

Kim: Du darfst lernen, wieder in Kontakt mit deinen Gefühlen und Emotionen zu kommen. Am besten schaffst du das, indem du dich fragst: Was lehne ich noch in mir ab? Da kommen sicher zwei oder drei Gefühle hoch, die nicht sein dürfen, aber ja vorhanden sind. Und deren Ursache du manchmal auch gar nicht kennst. Wenn du dann in Kontakt bist, ist die Frage: Wie kann ich mein Gefühl einfach da sein lassen? Kann das für einen Moment einfach dastehen? Natürlich will niemand immer traurig oder unruhig sein. Aber Fakt ist, es ist ja da. Und wenn du es wegschiebst, wird es immer wieder hochkommen. Erst dann, wenn du mit dem arbeitest, was ist, hat es die Chance, sich von alleine zu verändern.

Ich als Coach versuche erst einmal nicht, den Wunsch meiner Klient*innen zu erfüllen, sondern zu schauen, was der Ist-Stand ist, gegen den sich gewehrt wird. Dann gehe ich mit den Klient*innen in ihr Inneres und lass sie schauen, wie sich das anfühlt, was sie verdrängen. Ich versuche, ihnen zu ermöglichen, in Kontakt damit zu kommen, was ist, anstatt mich direkt mit ihnen auf eine Reise zu begeben, wie wir ihre Ziele erreichen können. Diese Ziele sind nämlich häufig ein Ergebnis davon, wieder einen Anteil in sich abzulehnen. Ich steige da ein, wo ich bemerke, dass es jemand anders haben will als es gerade ist. Denn immer dann, wenn ich will, dass es anderes ist als es ist, komme ich in eine Konfliktsituation. Weil ich dann automatisch anfangen muss, gegen das zu kämpfen, was gerade ist. Und wenn ich mit der Wahrheit kämpfe ich, verliere ich.

Wie sieht ein gesunder Umgang mit Gefühlen aus?

Kim: Wenn du beispielsweise bemerkst, dass du traurig bist, passiert ja meistens Folgendes: Du versuchst, es zu ändern. Du fängst direkt an, es wegzudrücken und zu kompensieren. Also darfst du erst einmal lernen, das Gefühl wahrzunehmen. Und immer dann, wenn du es bemerkst, bist du selbst ja schon gar nicht mehr traurig. Dann bist du schon die Beobachterin. Und dann darfst du wahrnehmen, dass da ein Teil in dir ist, der am liebsten mit voller Wucht dagegen rennen und das Gefühl wegdrücken will. Du lernst, dich und die Dynamik in dir zu erforschen, die entsteht, wenn du gewisse Gefühle nicht fühlen willst. Du kannst dir die Fragen stellen: Woher kommt das Gefühl? Wie fühlt es sich an? Was macht es mit dir? Darüber kommst du in Kontakt mit dir, anstatt die Gefühle direkt rauszulassen. Kannst du es da sein lassen und erforschen, anstatt es zu deckeln? Mit dem, was du fühlst, kannst du so eine ganz neue Erfahrung machen.

Besonders von der Emotion Angst lassen sich viele Menschen in ihrem Leben einschränken und bremsen. Wie kann ich das ändern?

Kim: Wir sagen gerne „Angst muss man überwinden“. Angstfrei zu sein bedeutet aber nicht, komplett frei von Angst zu sein, sondern frei vom Gedanken zu sein, Angst überwinden zu müssen. Angst ist immer dafür da, dich zu schützen. Und auch immer ein Hinweis dafür, wo du deinen Sicherheitsbereich verlässt, der jedoch häufig viel kleiner ist als deine eigentliche Kompetenz. Dein Sicherheitsbereich, den deine Angst definiert, ist meistens noch aus deiner Kindheit. Ich würde mich also erst einmal fragen: Wovor habe ich Angst? Was macht die Angst mit mir? Warum glaube ich, dass ich sie überwinden muss? Und was kann ich sogar von der Angst lernen? Vielleicht erkennst du dadurch, dass du deine Grenzen klarer ziehen darfst oder in diesem Moment zu viel forderst oder Fähigkeiten ausbauen darfst. Du darfst Angst haben und trotzdem schauen, wie du weitergehen kannst. Es gibt einen schönen Satz, der sagt: Liebe sagt auch Ja zur Angst. Es gibt immer beides und es gilt nie entweder oder. Auch Angst muss gelebt werden. Und immer dann, wenn sich etwas nicht mehr verändern muss, verändert es sich von alleine.

Ich habe für mich gelernt: Das Gegenteil von Angst ist Vertrauen. Wenn ich also lerne, dass das Vertrauen in mir immer da ist, dann kann ich auch mit der Angst meinen Weg gehen. Dann kann ich meinen Arm um die Angst legen und zu meinem Freund machen. Sie darf mir zeigen, wann ich aus dem Vertrauen falle. Angst ist immer ein Zeichen dafür, dass es ein Misstrauen mir selbst gegenüber gibt. Dass ich glaube, noch nicht die Fähigkeiten für das zu haben, was das Leben gerade an mich heranträgt. Ich kann Angst also als meinen Freund sehen und schauen, wo es mehr Vertrauen braucht. Und ein Ja zur Angst. Immer dann, wenn ich sage, dass ich Angst habe, verändert sich bereits die ganze Situation.

Danke für den wertvollen Input & das schöne Gespräch, liebe Kim!

Du möchtest gerne mit Kim als Coach arbeiten?

Aktuell bekommst du bei Kim im ersten Schritt 6 Coaching-Sitzungen, die bis zu dreimal verlängert werden können. Sie gibt Einzelsitzungen, ist aber auch spezialisiert auf Paarberatungen. Darüber hinaus gibt sie Yoga-Unterricht und Behandlungen im yoga-therapeutischen Bereich, etwa nach Knie-Operationen, Bandscheibenvorfällen oder mit Hüftproblemen. Du findest sie unter www.akademie-menschsein.de und www.firmenyoga.com! Außerdem hat sie einen Podcast “Akademie Menschsein”. Du kannst dich übrigens aktuell auch wieder zu ihrem Online-Kurs “Gefühlsecht” anmelden: https://akademie-menschsein.de/onlinekurs-gefuehlsecht-angstfrei-leben-und-lieben/

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